Die Burg Anhalt

...diese blöde Kuh....

Mit einem lauten Krachen flog die Tür auf. Ein weiterer Knall beförderte den Ranzen in die Ecke. Und mit einem weiteren ebenso nicht überhörbaren Kracher schlug die Tür auch wieder zu.

Johannes war da.

"Guten Tag Johannes. Du sollst doch nicht immer so was sagen." Die Mutter war nicht erstaunt über diese Geräusche. So reagierte sich der Junge immer ab. Auch wenn er jedes Mal eine Ermahnung bekam, doch nicht solche Schimpfwörter zu benutzen. Bald würde sie wissen, was los war. Gleich darauf und wesentlich leiser kam Sabine herein. Sabine war die Zwillingsschwester von Johannes.
"Was ist denn los?", fragte die Mutter sie.
"Die Deutsch Hausaufgaben", murmelte sie.
"Diese blöde Kuh hat sich wieder absoluten Mist ausgedacht." Polterte Johannes gleich weiter. "Die will doch glatt wissen, wo das Land Anhalt seinen Ursprung hat. Ist die blöd? Wo soll man das denn wieder herbekommen."
"Reg dich doch nicht so auf. Komm lass uns erst einmal Mittagessen. Danach nehmen wir uns des Problems an"; sagte sie schmunzelnd
Auch wenn es schon nach 16:00 Uhr war. Aber die Kinder kamen gerade erst von der Schule nach Hause.
Sabine sagte nichts mehr. Sie ging ins Bad Hände waschen.
Die Mutter nahm das Blech, auf welchem sie die Pizza zurechtgemacht hatte, und schob es in den Ofen. Dann stellte sie ihn an und die Küchenuhr ein.
Johannes schimpfte immer noch.
Wie er es schaffte nach mehr als 2 Stunden immer noch so drauf zu sein verstand sie zwar nicht, aber er war halt so.
"Ich würde ja an deiner Stelle mal zum Großen Hausberg gehen." Erstaunt sah Johannes sie an.
"Wieso?"
"Naja", meinte Sie. "Wir essen jetzt, und danach gehst du mal weiter runter ins Selketal und auf den Großen Hausberg. Da schaust du mal, was da oben so ist. Da ist bestimmt ein Hinweis. Und draußen bist du doch sowieso viel lieber."

Ohhhh. Das hätte sie wohl besser jetzt nicht gesagt.
Mit einem lauten Krach knallte die Tür schon wieder ins Schloss. Und Johannes war schon wieder draußen.

Sei um 6 wieder zu Hause, rief sie ihm noch aus dem Fenster hinterher. Währenddessen klingelte der Küchenwecker.
"Komm Essen", rief sie dann Sabine.
Diese hatte sich längst die Hände gewaschen und setzte sich an den Tisch um die leckere Pizza hungrig zu verspeisen. Sie nahm sich ein extragroßes Stück. Johannes war ja nicht da, da konnte sie dies in ruhe Essen, ohne sich seine Streitereien gefallen zu lassen, warum sie das größte Stück Pizza nahm. Sie hätte dies dann sowieso nicht machen können, dafür hätte er schon gesorgt. An und für sich waren sie ja ein Herz und eine Seele. Aber manchmal war sie froh das er nicht da war. Und war er dann mal nicht da, fehlte er ihr bald.

Johannes hatte sich längst sein Fahrrad geschnappt und düste vom 2. Hammer aus den Weg runter, bog auf die Hauptstraße ab und fuhr weiter das Tal hinab. Mit Autos rechnete er zwar, aber meist fuhren hier kaum welche. Und wenn dann fuhren sie doch recht langsam, so hatte ihm der Fahrer vom Schul-Taxi erklärt. Die Straße war hier sehr schmal. Auf einer Seite der Fels. Auf der anderen der Fluss. Da blieb in dem Tal nicht viel Platz für einen Weg. Obwohl hier wohl früher einiger Verkehr gewesen sein musste. Schließlich hat man hier Bergbau betrieben, und dann das Erz geschmolzen. Sogar einen Hochofen hatte es hier gegeben. Er wusste das genau. Denn er konnte von seinem Zimmer aus genau auf den Friedhof schauen. Und das Epitaph zur Erinnerung an die Opfer des Röstofenunglückes hatte er sich nicht nur einmal genau angeschaut.

Bald schon war er an der Selkemühle. Nun fuhr er weiter am Modell der Burg Anhalt vorbei, über die Brücke und von hieraus weiter stetig den Berg hinauf. Bald schon war er außer Atem und schwitze. Aber er ließ nicht nach und fuhr weiter den Berg hinauf. Bald schon war er oben angekommen. Hier war er gern. Am liebsten, wenn keine anderen Leute da waren. Von hier oben hatte man einen super Blick über das weitere Tal. Hier waren die Reste der Burg Anhalt. Sie war die erste Burg gewesen, welche aus reinem Backsteinziegeln erbaut worden war. Sie war eine der mächtigsten Befestigungsanlagen im Harz gewesen. Sie war fast so groß gewesen wir die Wartburg in Thüringen. Er wusste das genau. Auch wenn er erst 13 Jahre alt war.
Er schaute sich um. Hier waren die Reste des Bergfrieds. Dort das Informationsschild, was man aufgestellt hatte, um an 800 Jahre Anhalt zu erinnern. Der Bürgermeister und sogar der Prinz von Anhalt waren dazu hier gewesen.

??????

S c h e i ß e .
Natürlich. 800 Jahre Anhalt.
Hier hatte das Land seinen Ursprung. Hier hatte die Familie von Anhalt ihre Wurzeln.
Er war doch wirklich ein Idiot.
Scheiße. Scheiße. Scheiße. Sabine würde ihn auslachen. Wie immer.

Er blieb noch eine Weile hier oben sitzen. Er betrachtete die Bäume, die Vögel in der Luft. Dort drüben flog ein Segelflugzeug. Er schaute ihm noch eine Weile zu.
Dann setze er sich wieder auf sein Rad und fuhr zurück.
Am Fuß des Berges machte er noch einen Abstecher zur Selkemühle zu Tante Barbara.
Sie hatte garantiert ein Stück Kuchen und eine Tasse Kakao für ihn übrig.

Tante Barbara. Oft hatte sie ihm schon aus dem Schlamassel geholfen, in welchen er sich mit seinem Temperament manövriert hatte.
Er wusch sich und setzte sich in die Küche. Dort sah ihn Tante Barbara schon bald. Ihr konnte er in Ruhe sagen, was im auf dem Herzen lag. Sie hörte immer zu. Bei ihr hatte er nicht das Gefühl, das sie ihn auslachen würde wie bei Sabine und seiner Mutter.
Obwohl Tanta Barbara ihm oft gesagt hatte, dass seine Mutter ihn gar nicht auslachen würde. Er bekam ein Stück von dem leckeren Apfelkuchen vorgesetzt, welcher gerade aus dem Backofen gekommen war. Er war noch warm und duftete nach Zimt und Äpfeln. Auch Rosinen waren daran.
Sabine mochte die nicht. Sie fand die würden aussehen wie Käfer ohne Beine. Igitt, igitt.
Aber er fand sie genau richtig. Sie erinnerten ihn immer an den Apfelkuchen von Tante Barbara, und an den Apfelkompott von Mama.
Und Käfer hatte bisher immer Beine gehabt, wenn er sie mit der Lupe betrachtet hatte.

Es war schon spät. So machte er sich auf den Heimweg.
Die Mutter und Sabine würden warten.

Anmerkung der Autorin: Keine der hier erwähnten Person existiert tatsächlich. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder vestorbenen Menschen ist rein zufällig. Nur die Orte gibt es wirklich. Hier im oberen Selketal. Gleich hinter dem Zwergenland - oder davor, oder gleich daneben.