Der Spatzenmichel
von Karl Enslin
21.9.1819 bis 14.10.1875

Vergnügt trabt Michel daher die Straß´;
Er hatte gefangen Spatzen zum Spaß.
Er hatte gesteckt sie in seinen Hut,
Ihn aufgesetzt und gedacht: „So ist´s gut!“ –
Die Spatzen lärmten gewaltig da oben;
Der Michel ging weiter und ließ sie toben.

Da kommt der Amtmann des Wegs daher.
Von allen Leuten des Dorfs ward er
Stets höflich gegrüßet; – der Grobian,
Der Michel, nur hatt´ es oft nicht gethan.
Auch jetzt hält er den Hut tief im Gesicht
Und stellt sich, als säh´ er den Amtmann nicht.

Der Amtmann, der grade recht heiter gelaunt,
Dem Diener Johann in die Ohren raunt:
„Geh´ hin und sieh´, ob dem Tropfe
Der Hut ist angewachsen am Schopfe!“ –
Johann, ein lustiger, derber Gesell,
Geht hin zu dem gaffenden Michel schnell.

„Freund Michel, es möchte gern inwendig sehn
Den Hut der Herr Amtmann; drum, laß es geschehn:
Zieh´ ab – mach´s Kompliment geschwind.“ –
Doch Michel stellt sich taub und blind.
Und als er ihn doch nicht herunter thut,
Da reißt ihm Johann vom Kopfe den Hut.

Husch – flogen aus ihrem Gefängnis die Spatzen!
Fast wollten die Leute vor Lachen zerplatzen.
Von nun an ward Michel im ganzen Land
Der grobe Spatzenmichel genannt. –
Es gibt – so ist mir gemeldet worden –
Der Spatzenmichel an vielen Orten.